Der Bergbau spielte eine wichtige Rolle in der Region im Allgemeinen und in Niederbiel im Besonderen.
Gefördert wurde vor allem Eisenerz.
Am Beginn des 'Victoriaweges" begrüßte der Vorsitzende des Niederbieler Heimat- und Kulturvereins (HuK), Hans-Helmut Hofmann, die geschichtsinteressierten Wanderer. Er wies auf die informativen Beschilderungen des HuK hin, die anhand vorhandener Relikte die Geschichte des heimischen Eisenerzbergbaus nachvollziehbar machen. Diese Inhalte wurden von Holger Süß erstellt, der auch die weitere Führung übernahm.Neben weiteren Informationen und Anekdoten rund um die zahlreichen ehemaligen Eisenerzgruben in Niederbiel berichtete Holger Süß auch über die Entstehung der Erzlagerstätten vor über 380 Millionen Jahren. Im Zeitalter des Devon befand sich unsere Gegend in einem tropisch warmen Meer. Vulkanausbrüche führten dazu, dass eisenhaltige Gase sich im Wasser lösten und im Laufe von vielen Millionen Jahren die Eisenerzlagerstätten bildeten. Die Teilnehmenden der Führung erfuhren viel über die beschwerliche Arbeitswelt der Bergleute, die mit Schließung der Grube Richardszeche im Jahr 1960 endete. Zahlreiche Stollen und Schächte zeugen aber noch heute von der Zeit des Bergbaus, der um 1850 seinen Aufschwung nahm.
Süß führte die Gruppe durch den herbstlichen Wald entlang des Bergmannsroute, die in Wetzlar beginnt und in Braunfels endet. Der Vicoriaweg führt zur gleichnamigen Grube wo einst ein mit Dampfkraft betriebener Kettenaufzug die beladenen Loren gezogen hatte. Der Roteisenstein war sehr begehrt, so sicherten Unternehmen wie Krupp aus Essen, Stumm aus Neunkirchen (Saar) oder die Guthoffnungsütte aus Oberhausen sich Grubenbesitz in Niederbiel. Da fast alle Bergleute aus Niederbiel nebenbei eine kleine Landwirtschaft betrieben, konnte man sich trotz des kargen Lohnes den Lebensunterhalt sichern. Ein geselliger Abschluss mit Getränken, Weck und Woscht erfolgte an der Lore am Victoriastollen.
BILD 1: am einem Luftschacht der Richardszeche. Bild 2: Geselliger Abschluss an der Lore am Victoriastollen
Solms-Niederbiel (dk). Der vor drei Jahren vom Heimat- und Kulturverein Niederbiel (HuK) eröffnete „Victoriaweg“ ist um eine Attraktion reicher. Die Lore „Victoria“ ziert nun das Stollenmundloch der einstigen Niederbieler Eisenerzgrube Victoria und weist schon von weitem sichtbar auf den historischen Ort inmitten des Niederbieler Waldes hin. In feierlichem Rahmen wurde das Relikt der Bergbaugeschichte enthüllt, dem eine bergbaukundliche Wanderung mit Holger Süß vorausging.
„Die Jahre 1847, 1864 und 1906 waren bedeutende Jahre für die Niederbieler Eisenerzbergbaugeschichte“, beziffert Holger Süß die Wendepunkte im Eisenerzabbau in dem heutigen Solmser Stadtteil und erklärt, dass zuvor ein eher unbedeutender Abbau von Eisenerz im Solmser Land lediglich zur Belieferung heimischer Eisenhütten stattfand.
Mit der Inbetriebnahme der Lahntalbahn im Jahr 1864 hatte die erst 1847 schiffbar gemachte Lahn als Wasserweg bereits weitgehendst ausgedient. „Der mühselige Weg des gereinigten Roteisensteins mit Ochsenfuhrwerken von Niederbiel bis zur Verladestation nach Leun hatte sich erübrigt“, erklärt Süß und fügt hinzu, dass von da an das hochwertige Eisenerz auch zur Verladestation im benachbarten Albshausen transportiert und von dort aus per Eisenbahn zu Hüttenwerken an der Ruhr und ins Saarland geschafft wurde.
„In den einst in der Gemarkung Niederbiel 51 vorhandenen Bergwerksfeldern fand auf 34 ein zunächst nur oberirdischer Abbau von Roteisenstein statt“, zählt Süß auf. 1903 übernahm Buderus in Wetzlar einen Zusammenschluss an Grubenfeldern, wo 1906 der „Riemannstolen“ als Förderstollen für „Richardszeche“ angelegt wurde und das Ende des Tagebaus einläutete. „Über den Riemannstollen, welcher bereits 1913 seine heutige Länge von 1750 Meter erreicht hatte, fand der Unter-Tagebau statt“, so Süß. Der HuK-Vorsitzende Hans Helmut Hofmann fügt hinzu, dass noch heute aus dem Stollen ein Großteil des Niederbieler Trinkwassers gewonnen wird und das der tiefste Punkt der Richardszeche, ein vom Riemannstollen aus 150 Meter senkrecht in die Tiefe führender Blindschacht, 129 Meter unter Lahnniveau und somit nur 11 Meter über dem Meeresspiegel liegt.
Parallel zur Erschließung neuer Transportmöglichkeiten wandelte sich Mitte des 19.Jahhunderts der Abbau. „Kleine Schachtanlagen kündigten schon früh das schleichende Aus für den Tagebau an“, so Süß und nennt beispielhaft die „Grube Victoria“, wo 1879 mit dem Bau einer Schachtanlage vom Tagebau in den Unter-Tagebau übergegangen wurde. Um an das das Roteisensteinlager in größere Tiefen zu gelangen, wurde ein 265 Meter langer Stollen, der „Victoriastollen“ vorangetrieben, von dem aus der Förder- und Versorgungsbetrieb stattfand. „Nicht nur die Pumpe zum Entwässern der Schachtanlage, sondern auch die Erzwäsche fand mittels Wasserdampf statt“, betonte Süß und gab zu verstehen, dass sich die erste mit einer Dampfmaschine (6 PS) angetriebene mechanische Waschanlage im Bereich des Niederbieler Sportplatzes stand. „Über Feldbahngleise und einer Kettenbahn gelangte der Roteisenstein zunächst talabwärts zu einem Damm im oberen Grundbachtal und dann zur Verladung wieder zurück zum Zechenplatz der Grube, erklärt Süß. „Die Grube Victoria förderte in der Zeit von 1850 bis zur Schließung im Jahr 1914 rund 75.000 Tonnen Roteisenstein, die in der kurzen aber heftigen Zeit des industriellen Erzabbaus im heimischen Eisenerzrevier große Bedeutung erlangte“, hob Süß hervor.
Aus diesem Grund hatte es sich der HuK zur Aufgabe gemacht, die Stelle, wo sich einst das Stollenmundloch befand, für jedermann deutlich erkennbar zu machen. Ein sich im Originalzustand befindlicher Förderwagen der „Grube Fortuna“ samt Feldbahngleis aus den Zeiten des 1.Weltkrieges weist nun am Rande der Bergmannsroute auf das ehemalige Eingangsportal der Grube Victoria hin.
Hofmann dankte bei der feierlichen Enthüllung und Taufe der über 100 Jahre alten Lore „Victoria“ am Ende der Tour allen Helfern, allen voran dem Förderverein der Grube Fortuna für die Dauerleihgabe des historischen Fördermittels.
Der in der Niederbieler Gemarkung verlaufende „Victoriaweg“ als Teil der durch den Lahn-Dill-Kreis führenden „Bergmannsroute“ wurde vor drei Jahren durch den HuK geschaffen. Er bietet auf seiner drei Kilometer langen Strecke Überbleibsel heimischer Bergbaugeschichte. Zudem informieren an historisch bedeutsamen Orten, zum Beispiel an dem noch vorhandenen Trafohäuschen der Richardszeche aus dem Jahr 1929, fünf überdimensionale Informationstafeln über die Geschichte. Der geschichtsträchtige „Victoriaweg“ beginnt auf dem „Sauplatz“, am Waldrand in der Verlängerung des Tannenwegs.
Grube Richardszeche -Solms-Niederbiel
Nach dem Bericht des letzten Betriebsführers der Grube Richardszeche, Bergingenieur Herbert Simon:
„Niederbiel, Heimatschrift zur Schuleinweihung am 10. Dezember 1960 – Herausgegeben von der Gemeinde Niederbiel“,Seiten 293 - 295.Siehe auch: „Das Heimatbuch – 50 Jahre Heimat- und Kulturverein Niederbiel e.V. – Niederbiel und seine Geschichte“ Seiten 168 – 173; Verfasser: Wolfgang Wiedl. Die Vorlage für den Internetauftritt auf der Homepage des Heimat- und Kulturvereins e.V. Niederbiel wurde von Hans-Jürgen Simon, Sohn des o.g. Herbert Simon, aufbereitet.
Gekürzte Darstellung:
Die Grube Richardszeche liegt an der Hauptstraße zwischen Solms-Niederbiel und Leun im Hasselbachgraben.Sie ist durch den Riemannstollen erschlossen - nach dem früheren Bergrat Riemann benannt. Der Stollen wurde am 15. Mai 1907 am Berghang angesetzt und mit zeitweiligen Unterbrechungen auf 1750 m vorwärts getrieben. Er steht im Schalstein und in kurzen Abständen im Diabas - Mandelstein. Er durchörtert die Grubenfelder Bertha, Albert, Fehmühl, Victoria, Dechen und Apollo. Es wurden Fluss- Temper- und Roteisensteinlager aufgeschlossen. Das Erz hat einen Eisengehalt von 32-36%, 12-13% Calziumoxyd und 14-18% Siliziumdioxyd; es hat also Kalk und Quarzbeimengungen. Das Roteisensteinlager ist ein Verwitterungslager – Grenzlager – mit Tuffen und Schiefer im Hangenden und Schalstein im Liegenden, mit einem Eisengehalt bis 52% und etwa 14% Sio 2. Die Lagerzüge liegen im oberen Mitteldevon.
Die Firma Buderus betrieb den Abbau in ihren Feldern bis Anfang des Jahres 1927. Das Grenzlager streicht und fällt in das Nachbarfeld Richardszeche, das der Gutehoffnungshütte in Oberhausen gehörte. Auf Grund bestehender Verträge baute aber die Firma Buderus weiter ab.Am 31.12.1937 schied Buderus aus; die Gutehoffnungshütte Oberhausen übernahm die bestehende Grube. Die Anlage wurde nun bedeutend erweitert und der Blindschacht bis zu einer Tiefe von 150 m niedergebracht.
Am 28. Februar 1947 schied die Gutehoffnungshütte Oberhausen auf Grund des Artikels 41 der Hessischen Verfassung aus.Es entstand die Treuhandverwaltung Buderus, in die auch die Gruben der Sieg-Lahn-Bergbaugesellschaft eingegliedert wurden.Im Jahr 1952 wurde die „Hessische Berg-und Hüttenwerke AG“ mit Sitz in Wetzlar gegründet.Ihr unterstellt waren die Gruben an der Dill, der Lahn und in Oberhessen, ferner die Hochöfen in Wetzlar und in Oberscheld.Die Sieg-Lahn-Bergbaugesellschaft scheidet später wieder aus der Verwaltung aus.Die Grube Richardszeche beschäftigte bis zu ihrer Schließung am 1.6.1960 noch 20 Mitarbeiter und 2 Angestellte.Insgesamt wurden in ca. 100 Jahren 650 Tsd. Tonnen hochwertiges Eisenerz gefördert!
Für den interessierten, fachkundigen Leser weise ich gerne
auf die Broschüre von Bergingenieur Alfred Hofmann hin:„Der ehemalige Eisenerzbergbau im Solmser Stadtteil Niederbiel“, 2.verbesserte Auflage 2000.
Die verfügbaren Unterlagen über Eisenerzgewinnung und Aufbereitung wurden vom Verfasser sehr sorgfältig bearbeitet und allgemein verständlich dargestellt. Viele Tabellen, Zeichnungen und
Fotografien ergänzen den Text. Sie beleben die kompetente Darstellung in der lesenswerten Ausarbeitung.
Der Hinweis auf diese Broschüre wurde mit freundlicher Genehmigung der Tochter von Alfred Hofmann, Ursula Höhler und ihres Ehegatten Günter (Weilburg/Lahn) autorisiert.Der Unterzeichner
dankt ihnen sehr herzlich für diese großzügige Geste.
Solms-Niederbiel, im Dezember 2016 - Hans-Jürgen Simon
Fotoauswahl aus dem Fundus von Bergingenieur Herbert Simon: